Trends & TippsIn Zukunft kommt die Energie aus der Kanalisation

In Zukunft kommt die Energie aus der Kanalisation

Windräder und Solaranlagen sind eine nachhaltige Lösung der Energieerzeugung. In dicht besiedelten Wohnräumen und Städten allerdings kaum möglich. Die Stadt Berlin setzt nun auf eine andere Ressource zur nachhaltigen Energiegewinnung: Abwasser.

Es klingt im ersten Moment etwas befremdlich: Mit Abwasser Energie erzeugen? Also mit dem, was Menschen arglos im Abguss verschwinden lassen, soll in Zukunft der Energiekreis nachhaltig geschlossen werden. In Berlin könnte dieses Gedankenexperiment Realität werden. Die Berliner Wasserbetriebe und die Signa Immobliengruppe sowie der Energiekonzern E.on wollen dieses Ziel in einem Kanalwärmetauscher-Projekt der Stadt verwirklichen. Laut Tagesspiegel soll die Kooperation mit dem Moderiesen Zalando gelingen. Die Abwasserenergie beheizt dann inklusive einigier Läden rund 50.000 Quadratmeter in einem Bürokomplex. Das notwendige Abwasser kommt quasi frei Haus: nämlich aus dem Abwasserkanal unter dem Gebäude.

Das Potenzial im Abwasser: Die Temperatur stimmt

Die nackten Zahlen liefern optimistische Prognosen: Durchschnittlich 20 Grad Celsius misst das Abwasser normalerweise das ganze Jahr über. Um das Wasser nicht wie üblich versickern zu lassen, haben die Projektpartner unter dem Bürokomplex einen 250 Meter langen Wärmetauscher aus Edelstahl in den Abwasserkanal installiert. Die Wärme des Abwassers wird über ein Rohrsystem auf einen zweiten Wasserkreislauf übertragen, der an eine Wärmepumpe angeschlossen ist. Im Sommer, wenn die Temperaturen höher sind, funktioniert das System umgekehrt. Die überschüssige Wärme aus dem Gebäude leiten die Rohre in den Kanal weiter. An heißen Tagen hilft somit das Abwasser, das Büro zu kühlen.

Nach eigenen Angaben sollen auch die Mieter die nachhaltige Mehrverwertung ihres Abwassers im Geldbeutel spüren. Um 15 Prozent niedriger seien die Heizkosten im Vergleich zu konventionellen Lösungen, versprechen sie. Dafür habe das Unternehmen rund zwei Millionen Euro investiert, heißt es. Öffentliche Gelder seien aber nicht in das Projekt geflossen. Die Berliner Wasserwerke stellen die Infrastruktur zur Verfügung und erhielten im Gegenzug von E.on ein Nutzungsentgelt.

Die Technologie der Abwasserwärme hat auch Nachteile

Bei all der Euphorie gibt es allerdings auch einen Haken. Die Energie aus dem Abfluss kompensiere laut E.on bislang nur 50 Prozent des Wärmeenergiebedarfs des Gebäudes, der Rest stamme weiterhin aus fossilen Brennstoffen. Beispielsweise stammt diese aus einem Gasbrennwertkessel, einer Kälteanlage und einem Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung. Trotzdem, so die Projektleitung weiter, lohne sich die Energiegewinnung aus Abwasser. Unter dem Strich werden 30 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen als bei herkömmlichen Methoden. Rund 4.000 Tonnen Kohlendioxid könnten so pro Jahr gespart werden.

Ein Schritt in Richtung erneuerbarer Energiequelle?

Das Projekt wertet den Kanalwärmetauscher als innovatives Beispiel für die Nutzung nachhaltiger Energiequellen. Schließlich werde in Deutschland ein Großteil der Energie für Wärme verbraucht – mit einem Anteil von 15 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Diese Rechnung stützt eine Untersuchung des Bundesumweltministeriums aus dem Jahr 2018. Demnach könnte Abwasserwärme ihren Teil dazu beitragen, künftig mehr und mehr auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Und – besonders in Großstädten wie Berlin – sei es eine platzsparende Technologie. Laut der Rechnung der Projektpartner könnte man so 14 Prozent des Wärmebedarfs im Gebäudesektor abdecken. In der Landeshauptstadt zumindest eigneten sich die Abwasserkanäle zumindest für weitere Anlagen. Auf diese Weise könnte das Umweltprojekt eine Strecke von rund 590 Kilometern erschließen. Das entspricht beispielsweise der Distanz zwischen Berlin und München.

Projekte wie diese könnten in Zukunft teilweise eine Antwort auf die große Zukunftsfrage geben: Wie lassen sich Häuser beheizen, ohne im großen Stil Erdgas oder Öl zu verfeuern? Einen kleinen Beitrag für die Umwelt leisten kann also jeder schon jetzt beim nächsten Toilettengang. Zumindest in Berlin.

Titelbild: © Ian Dyball/stock.adobe.com
R+V Redaktion
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