Gibt es den Mittelstand noch? Wie groß wird die Schere zwischen Arm und Reich in den kommenden Jahren und welche Zielgruppen rücken in den Vordergrund? Ein Überblick.
Demografischer Wandel im Überblick
Sowohl die Politik als auch die Wirtschaft wissen um die Probleme, die der demografische Wandel mit sich bringt. Der grundlegende Trend dabei: Die geburtenstarken Jahrgänge der „Babyboomer“ und „Generation X“ gehen zunehmend in Rente, während die Millennials und „Generation Z“ aufgrund ihrer geringeren Größe die entstehenden Lücken nicht schließen können. In den vergangenen Jahren hat die Politik daher versucht, die freien Arbeitsplätze mit ausländischen Fachkräften zu besetzen, was allerdings nicht vollumfänglich funktioniert hatte.
Fast jeder zweite Deutsche ist schon jetzt 45 Jahre und älter, jeder fünfte hat das 66. Lebensjahr hinter sich. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) kehrt sich der zugrundeliegende Trend derzeit wieder um, die Geburtenrate steigt seit einigen Jahren wieder – allerdings wird es einige Jahre dauern, bis diese Generation sich auf den Arbeitsmarkt auswirken kann.
Veränderungen beim Familienstand
Allerdings hat der demografische Wandel noch mehr Facetten als nur die Altersstruktur. Eine weitere dieser Facetten ist zum Beispiel der Familienstand. Dieser ist ebenfalls in stetigem Wandel, wenn auch in einem sehr geringen Tempo. Wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) berichtet, leben heutzutage viele Paare unverheiratet zusammen mit Kindern, was bedeutet, dass der Familienstand nicht immer der zuverlässigste Faktor dafür ist, um Rückschlüsse über die Familien im demografischen Wandel zu ziehen. Auf der anderen Seite gibt es auch mehr verheiratete Paare ohne Kinder, als es noch vor ein paar Jahren der Fall war. In Fragen der Fürsorge, der Besteuerung und Erbschaft ist der Familienstand allerdings weiterhin relevant.
Im Laufe der Jahrzehnte hat der Familienstand eine deutliche Wandlung durchgemacht. Vor knapp 30 Jahren waren unverheiratete Vierzigjährige noch die Ausnahme, seitdem stieg die Zahl der Ledigen über 30 stetig an.
Kinderschwund seit den 90ern
Die nächste Veränderung betrifft die Familienform der Deutschen. Zum Beispiel lassen sich die Deutschen zunehmend mehr Zeit, was die Familiengründung angeht. Eltern sind heutzutage im Schnitt drei Jahre älter, wenn sie das erste Kind kriegen, als es noch vor 25 Jahren der Fall war. Wie das BiB berichtet, sind Paare mit Kindern im Haushalt ebenfalls seltener als in den Neunzigern. Im Gegenzug gibt es immer mehr Deutsche ohne Partner oder Kinder.
Je nach Altersgruppe bevorzugen die Deutschen unterschiedliche Arten des Zusammenlebens. Unter 20-Jährige zum Beispiel leben überwiegend in Haushalten mit drei oder mehr Personen, zwischen 20 und 30 Jahren dominieren die Ein- oder Zweipersonenhaushalte. Und über 30 leben viele Eltern dann mit heranwachsenden Kindern zusammen.
Der Sturm auf die Städte
Der demografische Wandel wirkt sich deutlich auf die Struktur von Städten und Gemeinden aus. Seit den Neunzigern haben sich komplette Gemeinden durch einen Zusammenschluss mit anderen teils deutlich vergrößert, wobei ein deutlicher Zug der jungen Generationen (18 plus) aus den kleinen Gemeinden hin in die Städte festzustellen ist. Die Bevölkerungsgruppe ab dem 18. Lebensjahr ist in Gemeinden deutlich unterrepräsentiert, während die Großstädte einen großen Anteil von 18- bis 45-Jährigen haben. Vorrangig entscheiden sich die jungen Deutschen wegen einer Ausbildung oder wegen des Berufs für den Umzug.
Bildung
Die Bildung ist eine der Säulen für die stabile Zukunft einer Nation und gesellschaftliche Entwicklung. Während der vergangenen Jahrzehnte nahm die Zahl der Deutschen mit einem Gymnasialabschluss und weiterführender Bildung stetig zu: Für 2021 hatte der Statistische Bundesamt rund 518.000 bestandene Prüfungen an Hochschulen zu verzeichnen. Experten sprechen von einer Bildungsexpansion – im Wintersemester 22/23 gab es erstmals seit 15 Jahren weniger Studenten als im Vorjahr.
Das hat verschiedene, teils gravierende, Folgen. Seit einigen Jahren häufen sich die Medienberichte über ein Überangebot an Studenten. „Ganz Deutschland drängt an die Uni“, titelte die Welt noch 2019. Medienberichte sprechen von einer „Überakademisierung“. Der Knackpunkt dabei: Auch dies trägt zum Fachkräftemangel bei. Aktuelle Zahlen von Destatis zeigen, dass die Zahl der dualen Studenten zuletzt leicht gestiegen ist, außerdem unternimmt die Bundesregierung gewisse Anstrengungen, um die Ausbildung zu unterstützen und so mehr Fachkräfte zu generieren.
Armut im demografischen Wandel
Und zuletzt ist auch die Armutsquote vom demografischen Wandel betroffen. Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Deutschen, die in Armut leben. Laut dem Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ist die Quote der Deutschen, denen monatlich weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung stehen, zwischen 2010 und 2019 um knapp 40 Prozent gestiegen. Die Coronavirus-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben diese Entwicklung auch noch befeuert. Die Kluft wächst – und vonseiten der Politik gibt es derzeit keine handfesten Lösungen. Weitere Details dazu stellt die Tagesschau bereit.
Die Debatten um das höhere Renteneinstiegsalter zeigen schon jetzt, welche Trends mit fortschreitendem demografischen Wandel auf uns zukommen. Eine spätere Rente, die, sobald die Nachwuchsgenerationen zu klein sind, auch noch schwächer ausfallen könnte, ist nur eine mögliche Folge.
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