In Folge hoher Energiepreise erwarten Experten unter anderem eine Düngemittel-Knappheit. Für die Bevölkerung würde das im schlimmsten Fall Hungersnöte nach sich ziehen. Aber was bedeutet es für die Zielgruppe der Landwirte?
Ukraine spürt schon jetzt deutliche Folgen
Bereits zwei Wochen nach dem Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine, machte sich der Krieg in der Landwirtschaft bemerkbar. Für Milchviehbetriebe wurde das Futter knapp, ebenso wie Treibstoff für die Generatoren, den die Landwirte benötigten, da der Strom ausfiel. Auch Tierarztbesuche waren unmöglich. Wie der BR im Interview mit einem ukrainischen Landwirt erfuhr, verstarben bereits 300 von 1.000 seiner Tiere. Die Ursache: Krankheiten, die teilweise durch nicht gemolkene Euter entstehen. Obwohl zeitweise selbst die Dorfbewohner halfen, ließ sich der ansonsten elektronische Ablauf nicht händisch bewerkstelligen, um alle Kühe rechtzeitig zu melken.
Zudem fehlt es inzwischen an Personal. Da viele der landwirtschaftlich Mitarbeitenden entweder selbst kämpfen oder das Land verlassen haben, fehlt es an Erntehelfern. Die Felder ernten die noch verbliebenen Landwirte Ende April nun trotzdem ab. Wie die Ernte ausfällt, ist jedoch unklar. Während ein Landwirt sich sicher ist, dass die Nahrungsmittel ausreichen, um die eigene Bevölkerung grundlegend zu versorgen, können andere Felder aufgrund von Verminung nicht gerodet werden.
Einig sind sich Experten indessen über den Export der geernteten Lebensmittel: Er wird nicht stattfinden können. Mit beinahe 30 Millionen Tonnen jährlichem Export, galt die Ukraine als sechstgrößter Getreideproduzent der Welt. Rund 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte stammen aus der Ukraine oder Russland. Auch Sonnenblumenöl zählte als wichtiges Exportgut. Bisher verlief der Frachtweg über die Seehäfen am Schwarzen Meer, Odessa, Mykolajiw und Mariupol. Durch die Zerstörung und oder Belagerung der ukrainischen Hafenstädte inzwischen unmöglich. Umstände, die sich auch in den kommenden Jahren noch drastisch auf die Wirtschaft auswirken können.
EU plant Reformen – zu Lasten der Umwelt
Doch inwiefern wirkt sich die ukrainische Lage auf Deutschland aus? Politiker befürchten der Tagesschau zufolge eine „sich zuspitzende Versorgungslage mit Lebensmitteln, vor allem mit Weizen und Proteinerzeugnissen wie Soja oder Sonnenblumenöl.“ Die Befürchtung: Reformen gingen zu Lasten der Umwelt, im Speziellen des „Green Deal“ der Europäischen Landwirtschaft.
Politiker argumentieren europaweit jedoch, dass aktuell die Sicherstellung der Nahrungsmittelproduktion vorrangig sei. Dafür wollen sie beispielsweise Brachflächen reaktivieren oder solche, die bisher der ökologischen Landwirtschaft vorbehalten waren. Zudem plant die EU, die Produktion von Raps und Soja mit 1,5 Milliarden jährlichen Fördermitteln zu unterstützen. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fasst zusammen:
„Wir befinden uns in einer Lage der vielfachen Krisen. Deshalb müssen wir Ernährungssicherheit, Klimaschutz und den Erhalt der Biodiversität in Einklang bringen.”
Auch Deutschland spürt die Auswirkungen
Verbraucher spüren bereits die Auswirkungen des Krieges. Der Preis pro Tonne Weizen lag bisher bei rund 200 Euro, hat sich inzwischen auf 400 Euro verdoppelt. Während Europäer finanziell tiefer in die Tasche greifen müssen, droht den ärmsten Ländern der Welt eine Lebensmittelknappheit mit, in Folge, massiven Hungersnöten.
Die deutschen Landwirte belasten indessen steigende Energiepreise. Traktoren benötigen zudem Diesel. Kosten, die der Deutsche Bauernverband zukünftig um ein Drittel höher schätzt. In der Schweine- wie auch der Geflügelmast haben zudem vor allem Bio-Bauern zu kämpfen. Laut strenger Reglementierung benötigen sie gentechnikfreies Eiweißfutter aus der Ukraine oder Schwarzmeerregion. Aktuell nicht lieferbar, gibt es dennoch keine alternativen Futtermittel. In anderen Geflügelbetrieben wie der Putenhaltung kämpfen Landwirte ebenfalls. Das Problem hier: Preisexplosionen des Futters. Auch für Düngemittel steigen die Preise enorm.
„Der Düngerpreis ist auf einem horrenden Niveau. Das ist gerade das Fünffache des Preises des vergangenen Jahres”, sagt Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied.
Doch wie geht es nun weiter? Zu langfristigen Prognosen lässt sich aktuell weder die Landwirtschaft, noch die Politik hinreißen. Die Nahrungsversorgung sei zumindest in Deutschland für das kommende Jahr gesichert. Um zumindest betrieblich die Kosten stabil zu halten, schließen einige Agrarwirte indessen Vorverträge mit ihren Lieferanten. Sicher ist jedoch nur eins: Die Situation kann sich jederzeit ändern.