Themen & ProdukteFirmenkundenDr. Wilhelm Schluckebier: Über die Schlichtungsverfahren des Ombudsmannes

Dr. Wilhelm Schluckebier: Über die Schlichtungsverfahren des Ombudsmannes

Im ersten Teil des Interviews verriet uns Versicherungsombudsmann, Dr. h. c. Wilhelm Schluckebier, welche Philosophie hinter dem Beschwerdemanagement steckt. Nun, in Teil zwei, erörtert er den praktischen Vorgang. Für ihn alltäglich, für andere notwendig.

Redaktion: Herr Dr. Schluckebier, wie wird eine Beschwerde bearbeitet? Wie sieht ein Schlichtungsverfahren aus?

Wilhelm Schluckebier: Der Schlichtungsantrag kann auf allen gängigen Kommunikationskanälen gestellt werden. Wir freuen uns, wenn das per Online-Formular auf unserer Website geschieht. Denn dort werden bereits viele Punkte abgefragt, die für die Bearbeitung wichtig sind. Unser Servicecenter sorgt zunächst dafür, dass das Beschwerdeziel korrekt erfasst und der Vorgang so zusammengestellt wird, dass er rechtlich beurteilt werden kann. Dazu gehört auch, dass die Stellungnahme des Versicherers oder des Vermittlers eingeholt wird. Dann wird die Beschwerde in der juristischen Abteilung nach Recht und Gesetz geprüft. Gibt es Besonderheiten, ist die Sache schwierig zu beurteilen, besprechen wir das. Ist das Ergebnis klar, können wir bei den Unternehmensbeschwerden das Unternehmen auch verpflichten, also für es bindend entscheiden.

Bei den Vermittlerbeschwerden geht das nicht. Hier können wir allerdings die Rechtslage erläutern und einen Schlichtungsvorschlag unterbreiten.

In geeigneten Fällen und wenn die Beschwerde ganz oder teilweise begründet ist, regen wir eine Abhilfe an.

Die Gründe dafür werden dem Versicherer oder Vermittler natürlich erläutert. Können wir die Sache auf der Grundlage der uns vorgelegten Unterlagen nicht abschließend beurteilen, weil etwa eine Beweiserhebung erforderlich ist oder weil es um eine noch nicht geklärte Rechtsfrage geht, dann ist die Entscheidung der staatlichen Gerichtsbarkeit vorbehalten. Wir können jedoch auch dann auf eine gütliche Einigung hinwirken.

Redaktion: Welche Tipps können Vermittler hieraus für ihr Beschwerdemanagement ableiten?

Wilhelm Schluckebier: Eine qualitativ hochwertige Arbeit an der Schnittstelle zwischen Kunde und Versicherer ist essenziell. Dabei steht eine kundenbedarfsgerechte Beratung vornan. Diese sollte kurz, aber möglichst konkret dokumentiert werden.

Kommt es zu einer Meinungsverschiedenheit, sollte das Ombudsmann-Verfahren proaktiv ins Spiel gebracht und dem Kunden vorgeschlagen werden.

Auf diese Weise lässt sich schnell und auf einfachem Weg eine Klärung herbeiführen. Das nutzt allen Beteiligten. Es gibt den guten Satz als Richtschnur, man solle andere stets so behandeln, wie man selbst in deren Situation behandelt werden möchte.

Redaktion: Was ist ein Paradebeispiel für den gelungenen Fall einer Kundenbeschwerde? Worum ging es und wie wurde der Fall gelöst?

Wilhelm Schluckebier: Kürzlich war einer jungen Frau ihr iPhone aus der Hosentasche gestohlen worden, als sie mit ihrem Fahrrad an einem belebten innerstädtischen Fußgängerüberweg bei Rotlicht wartete. Ebenso wurde ihr Rucksack aus dem Fahrradkorb entwendet. Sie bemerkte das nach Überqueren der Straße. Der Versicherer lehnte die Leistung für das Handy zunächst unter Hinweis auf die Versicherungsbedingungen ab. Diese setzten voraus, dass das Handy im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt worden sei. Der Versicherer meinte, die Geschädigte habe das Handy jederzeit so im Blick- und Körperkontakt haben müssen, dass sie einen unberechtigten Zugriff sofort hätte bemerken müssen und abwehren können.

Das sei hier nicht der Fall gewesen. Nach dem Hinweis auf ein amtsgerichtliches Urteil, das genau diese Bedingungen anders verstand und ein Mitführen das Geräts in einer vorderen Hosentasche als sicher erachtete, half der Versicherer der Beschwerde ab und ersetzte den Schaden.

Titelbild: © Dietmar Gust für “Versicherungsombudsmann e. V.”

Stephanie Gasteiger
Stephanie Gasteiger
Mitglied der NewFinance-Redaktion mit beruflichem Hintergrund in der PR und Wurzeln am Chiemseeufer. Ist ganz nach Friedrich Nietzsche davon überzeugt, dass die Glücklichen neugierig sind. Und ebenso umgekehrt.

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