Sie stehen bei der Klimakrise an der Front und spüren oftmals auch außenpolitische Auswirkungen mit am stärksten: Landwirte. Doch was bedeutet das konkret für die Zielgruppe? Was sind ihre Bedürfnisse? Im Interview geht Dr. Gero Hocker, Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis 34 sowie landwirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, auf unter anderem diese Fragen ein.
Redaktion: Ihrem beruflichen Werdegang zufolge gab es einige Berührungspunkte mit der Finanzwirtschaft. Sie waren auch eine Zeit lang in der Versicherungsbranche tätig. Wie sind Sie politisch zur Landwirtschaft gekommen? Und warum liegt sie Ihnen so am Herzen, dass Sie in einem politischen Amt dafür eintreten?
Gero Hocker: Zwischen Fragen, die das Finanzmanagement betreffen, und der Agrarpolitik gibt es durchaus Überschneidungen. Beide sind wie kaum andere Branchen abhängig von äußeren Einflüssen, die auch der Betriebsinhaber nicht immer steuern kann.
Für mich persönlich war ausschlaggebend, dass ich zuvor in Niedersachsen als Energie- und Umweltpolitischer Sprecher tätig war. Auch hier gab es einige Überschneidungen zum Agrarbereich. Es ist eben ein sehr spannendes und allumfassendes Thema. Durch den Ukraine-Krieg, als aktuelles Beispiel, diskutieren wir gesamtpolitisch nicht nur die Sicherheit der Verteidigung, sondern auch die der Ernährung. Diese spielt global betrachtet eine viel größere Rolle. Das macht es zu einem sehr relevanten Bereich für die Zukunft.
Redaktion: In Ihrem Slogan heißt es: „Nie gab es mehr zu tun“. Wie meinen Sie das konkret? Welchen Wandel sehen Sie seit 2017 in der Agrarpolitik und -wirtschaft?
Gero Hocker: Der Claim stammt aus der Landtagswahl 2022. Damit drücken wir aus, dass aktuell eine Vielzahl politischer Initiativen diskutieren. Damit meine ich: Auch in Berlin werden unter anderem Diskussionen geführt, die sich um Interessen von Kleinstgruppen drehen, für viele Menschen in unserem Lande und ihre Alltagsprobleme kaum Relevanz besitzen. Wenn wir den Fokus auf die Diskussion eben jener, tatsächlich relevanter, Alltagsthemen setzten, ist der Slogan unglaublich zutreffend.
Hinsichtlich des Wandels befinden wir uns in einer Situation, in der immer mehr Menschen behaupten, sie wären bereit, einen höheren Preis für höhere Standards und bessere Qualität für Lebensmittel zu zahlen. Sobald dies beim Einkauf erforderlich wäre, tun sie es jedoch nicht. Das ist ein großes Problem. Das führt dazu, dass Betriebe, die sich an die höchsten Standards halten, beiseitegedrängt werden. Sei es beim Thema Tierwohl, Nachhaltigkeit oder Biodiversität. Die Folge ist ein Missmatch mit den Erwartungen der Verbraucher. Für mich lautet daher die Formulierung ganz klar:
Die Menschen müssen auch bereit sein, für ihre Anforderungen einen angemessenen Preis zu bezahlen.
Redaktion: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, vor denen Landwirte hierzulande stehen? Was beschäftigt Ihre Wähler?
Gero Hocker: Generell stehen Landwirte ständig vor der Herausforderung, sich dem Markt- und Konsumverhalten anzupassen. Insgesamt gelingt der Branche dieser Anpassungsprozess gut. Neben dem zuvor erwähnten Missmatch, kämpfen wir auch damit, dass sich die Politik allzu häufig von der Fachlichkeit ihrer politischen Entscheidungen entfernt. Beispielsweise werden Dinge legislativ beschlossen, die wissenschaftlich nicht möglich sind. So geschehen bei der Geschlechterbestimmung von Embryos im Ei. Standards, die zu erfüllen sind, werden gesetzt, ohne dass hierfür überhaupt die fachlichen Voraussetzungen vorliegen. Es gibt eine Vielzahl von Interessenkonflikten, die aus einer politischen Agenda resultieren. Stattdessen eine lösungsorientierte Antwort vonseiten der Politik zu erhalten, ist ein Problem vieler Landwirte.
Redaktion: Und mit welchen Maßnahmen planen Sie hier politisch zu unterstützen?
Gero Hocker: Hierzu wurde etwa das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz auf den Weg gebracht. Damit kann der Verbraucher konkret nachvollziehen, nach welchen Standards Tiere gehalten wurden. Eine politische Maßnahme, durch die sich auch der Verbraucher nicht mehr aus der Verantwortung stehlen kann. Ein wichtiger Schritt. Des Weiteren geht es darum, Genehmigungen aufseiten der Verwaltung schneller zu erteilen, wenn es um Aus- oder Umbau geht. Zwei zentrale Elemente, die dem entgegenwirken, was wir eingangs besprochen haben:
Fortschrittliche Investitionen müssen möglich sein und der Verbraucher muss sein Wort halten.
Redaktion: Wie lautet Ihre Prognose? Ab wann wird sich die Landwirtschaft, wie wir sie heute kennen, grundlegend verändern (müssen)?
Gero Hocker: Ich denke, dass die deutsche Landwirtschaft diesen Anpassungsprozess schon seit Jahren vollzieht. Landwirte könnten allerdings deutlich klimaneutraler produzieren, wenn die Politik in manchen Dingen anders urteilen würde. Unter anderem Pflanzenschutzmittel genehmigt, die nicht fachlich, aber politisch in Ungnade gefallen sind. Der Gesetzgebe muss dafür sorgen, dass Landwirte unternehmerische Entscheidungen sinnvoll treffen können. Auf deren Seite erkenne ich die Veränderungsbereitschaft an jeder Ecke.
Redaktion: Von Elementarschutz bis Altersvorsorge werden entsprechende Produkte für die Zielgruppe Landwirt Ihrer Einschätzung nach unumgänglich? Oder ist das Ziel, den Bereich Agrarwirtschaft insgesamt attraktiver zu gestalten, damit eine entsprechende Absicherung vielleicht sogar teilweise überflüssig ist?
Gero Hocker: Ich glaube, die Sorgen, die sich Landwirte machen, betreffen nur in dritter oder vierter Reihe Elementarschutzversicherungen. So wichtig das Thema auch ist, für den Landwirt ist es eine deutlich größere Zukunftssorge, wenn er über 20 Jahre einen Stall abbezahlt und sich in dieser Zeit politische Vorgaben ändern. Entscheidungen, die die Nutzung seines Stalls obsolet machen.
Neben klimatischen Themen ist es uns zudem wichtig, Steuererleichterungen in ertragreichen Jahren zu gewährleisten. Landwirte müssen finanziell unabhängiger von der Politik werden. Damit würden auch Dürrehilfen der Vergangenheit angehören. Die private Risikovorsorge wäre dann eine Ergänzung. Es gilt langfristig zu denken und in dieser Zeit einen Rahmen zu schaffen, der Investitionen zulässt. Denn nichts ist so wertvoll wie Beständigkeit, um Landwirte finanziell zu unterstützen.
Titelbild: © Dr. Gero Hocker