Gemeinsam sind wir stark: Networking ist nicht erst seit Corona ein Trend in der Versicherungsbranche. Doch welche Vor- und Nachteile gibt es für Vermittler und Makler, worauf gilt es zu achten? Um das herauszufinden, haben wir mit zwei Experten gesprochen: Christian Schwalb, geschäftsführender Gesellschafter der SCALA Finanzgruppe, und Florian Haas, Vorstand der PROFINANZ AG.
Redaktion: Herr Schwalb, Herr Haas, was sind die größten Vorteile für Makler, die sich in Vertrieb und Beratung spezialisieren?
Christian Schwalb: Aus meiner Sicht ist die Positionierung als Fachexperte nur durch eine klare Spezialisierung möglich. Aus der Medizin kennen wir das als Fachexperten einer medizinischen Fachrichtung. Der große Vorteil liegt darin, dass ich dadurch sowohl auf Endkundenseite als auch auf der Kollegenseite empfohlen werden kann.

Florian Haas: Sie sind auf ihrem Fachgebiet natürlich absolute Spezialisten. Das heißt, sie haben extrem tiefes, fundiertes Fachwissen. Dieses können sie im Kundengespräch einsetzen und so den größtmöglichen Vorteil für den Kunden liefern.
Redaktion: Wenn ein Kunde ein Produkt außerhalb der Expertise des Spezialisten haben möchte, welche Lösungen gibt es da?
Florian Haas: Da kann der Makler zum Beispiel andere Spezialisten bei sich im Haus haben oder sich ein Netzwerk aufbauen, in dem er auf das Fachwissen anderer zurückgreifen kann. Wenn er jedoch ein Einzelkämpfer ist, der nur diesen einen spitzen Weg geht, dann muss er den Kunden ablehnen. Da muss er dann bedenken, dass er in anderen Bereichen Wettbewerbern das Tor öffnet.
Redaktion: Welche Nachteile birgt eine Spezialisierung für Vermittler?
“Es besteht das Risiko, dass der Markt irgendwann gesättigt ist.” – Florian Haas
Christian Schwalb: Nachteile sind sicherlich darin zu sehen, dass ich anfälliger bin, wenn mein Geschäftsbereich mal in eine Schieflage kommen würde. Ein Beispiel dazu: Wenn ich Investmentspezialist bin und die Börsen gehen in eine Baisse-Phase, dann leide ich direkt mit. Im Versicherungssegment können wir die Corona-Krise als Beispiel nehmen. Zum Beispiel, wenn ich als Vermittler auf Veranstaltungen oder das Hotel- und Gaststättengewerbe spezialisiert bin.
Florian Haas: Es besteht außerdem das Risiko, dass der Markt irgendwann gesättigt oder dass meine Spezialisierung zu spitz ist. Und dann gibt es natürlich die Möglichkeit, dass es andere Wettbewerber mit derselben Spezialisierung gibt. Das ist in der freien Marktwirtschaft ein normaler Vorgang.
Redaktion: Herr Haas, hatten eben Netzwerke als Vorteil für Spezialisten erwähnt. Welche Vorteile gibt es da noch für Vermittler?
Florian Haas: Hier muss man klar die gesetzlichen Herausforderungen nennen. In einem Netzwerk muss sich der Vermittler nicht alleine den Kopf über die gesetzlichen Neuerungen machen – dort gibt es viele andere, die sich damit auseinandersetzen. Jeder soll das machen, was er am besten kann. Und wenn es dann jemanden gibt, der rechtlich, produkttechnisch oder von der Spezialisierung her besser ist, dann muss ich das akzeptieren und kann entweder davon profitieren oder im Rahmen des Netzwerks eine Zusammenarbeit mit ihm machen.
“Richtig umgesetztes Networking ist eine Win-Win-Win-Situation für Kunde, Kollege und Berater.” – Christian Schwalb

Redaktion: Herr Schwalb, sehen Sie das genau so?
Christian Schwalb: Networking bedeutet ja vereinfacht erklärt, dass ich ein Netzwerk in meinem Geschäftsprozess positiv zu nutzen weiß. Mich persönlich leitet hier die innere Überzeugung, dass ich immer mehr bekommen werde, wenn ich aus Überzeugung und ohne Erwartung gebe. Das hat sich in meiner nun schon mehr als 20-jährigen Unternehmertätigkeit im überwiegenden Teil immer so bewahrheitet. Das Schöne am Networken ist ja, dass ich mich mit den Expertisen anderer „schmücken“ kann und diese sich umgekehrt mit meiner beziehungsweise unserer. Richtig umgesetztes Networking ist eine Win-Win-Win-Situation für Kunde, Kollege und Berater selbst.
Redaktion: Ws ist Ihrer Meinung nach für Vermittler am wichtigsten beim Networking?
Christian Schwalb: Aus meiner Sicht müssen im Vorfeld stets alle Erwartungen an die Gegenseite klar benannt werden. Auch Unstimmigkeiten, die sich im Laufe der Zusammenarbeit ergeben, sollten immer offen angesprochen werden. Es ist ein bisschen wie in einer Beziehung: Alle Probleme, die nicht klar angesprochen werden, werden in der Regel größer und damit zu einer Gefahr – auch für das beste Geschäftsmodell.
“Kooperation braucht ein vernünftiges Vertrauensverhältnis.” – Florian Haas
Redaktion: Welche Risiken gibt es für Vermittler beim Networking?
Florian Haas: Das Risiko, das jeder Vermittler am Anfang sieht, ist: Berät er meine Kunden richtig? Früher war es ja so, dass Vermittler überhaupt nichts preisgeben wollten, der andere könnte ja davon profitieren. Da erkenne ich meines Erachtens ein Umdenken in der Branche. Da entsteht gerade der Eindruck, man könne ja nur voneinander profitieren. Wenn ich da ein vernünftiges Vertrauensverhältnis habe, dann kann ich zum Beispiel im Rahmen einer Kooperation auch Kunden an den anderen Spezialisten weitergeben, sei es im gewerblichen Bereich, sei es im BU-Bereich und so weiter. Mit dem muss ich dann die Absprache treffen, dass er den Kunden ausschließlich in dem Bereich dann berät.
Redaktion: Also gibt es mehr Vertrauen als früher in der Branche?
Florian Haas: Ich würde sagen, der Bedarf ist größer. Vermittler stellen für sich fest, dass sie für Kunden nicht mehr vollumfänglich da sein können. Daher rührt auch die Öffnung gegenüber Networking, es gibt mehr Austausch mit Kollegen. Vorher wurde jeder quasi fast schon als Mitwettbewerber angesehen.
“Für mich überwiegen eindeutig die Vorteile.” – Christian Schwalb
Christian Schwalb: Meines Erachtens könnt dann eine Gefahr entstehen, wenn es nur einseitige Vorteile in der Zusammenarbeit gibt. Oder wenn beide Seiten nicht mit der gleichen Motivation daran gehen. Es kann auch sein, dass eine Vertragspartei andere Ziele verfolgt als kommuniziert wurden. Aber ich bin da ganz offen: Für mich überwiegen eindeutig die Vorteile, warum es sinnvoll ist, sich am Finanzmarkt zu vernetzen. Vielleicht bin ich da noch zu sehr der Mannschaftssportler, aber aus dieser Zeit weiß ich einfach, dass niemand alles kann.