Inflation, Rezession, Steuererhöhungen: Worüber machen sich die Deutschen derzeit am meisten Gedanken? Das ermittelte die repräsentative Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen 2022“ des Infocenters der R+V Versicherung. Wir werfen einen Blick auf die Details.
Sicherheit in Europa
30. März 2023: Kurz vor Mitternacht segnete eine breite Mehrheit des türkischen Parlaments den Beitritt Finnlands zum Verteidigungsbündnis NATO ab, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. „Wir werden uns gegenseitig verteidigen“, schrieb die finnische Regierungschefin Sanna Marin dazu auf Twitter. Experten vermuten, dass dieser NATO-Beitritt das geopolitische Gefüge umkrempeln könnte. Vor allem aber soll dieser Schritt eines bringen: mehr Sicherheit in Europa.
Aktuell ist nämlich exakt das gefühlte Fehlen von Sicherheit ein Grund zur Sorge für viele Deutsche. Wie die Bevölkerung das genau sieht, untersucht die Langzeitstudie „Die Ängste der Deutschen“ des Infocenters der R+V.
Die Studie im Überblick
In den letzten Monaten des vergangenen Jahres drehten sich die Ängste der Deutschen vor allem um die Finanzen. Inflation, Rezession und Steuererhöhungen beunruhigten Millionen, die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten stand unangefochten ganz oben auf der Liste. „Insgesamt sind die Menschen deutlich sorgenvoller als noch vor einem Jahr“, sagt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch anlässlich der Pressekonferenz zur Studie am 13. Oktober in Berlin. 2022 hatte das Infocenter der R+V Versicherung die Studie „Die Ängste der Deutschen“ bereits zum 31. Mal durchgeführt und dabei mehr als 2.400 Menschen befragt.
Sonderbefragung zur Ukraine
In einer Sonderbefragung der Langzeitstudie aus diesem Jahr hat die R+V außerdem ermittelt, wie die Deutschen zum russischen Angriffskrieg stehen. Ein Ergebnis: Die große Mehrheit fürchtet nun, dass Deutschland selbst zur Kriegspartei wird und sich im Ernstfall nicht verteidigen können würde. „Der schlechte Zustand der Bundeswehr spiegelt sich deutlich in den Ergebnissen unserer Sonderbefragung wider“, erklärt Studienleiter Grischa Brower-Rabinowitsch. Seit dem vergangenen Sommer ist die Zahl der Deutschen, die glauben, dass die Bundesrepublik im Fall der Fälle nicht verteidigungsbereit sei, deutlich gewachsen. Einen derartig großen Anstieg beobachte die R+V in dieser Studie nur selten, sagt Brower-Rabinowitsch dazu.
„Offensichtlich erschüttert Russlands schrecklicher Angriffskrieg gegen die Ukraine das Sicherheitsgefühl der Deutschen.“
Grischa Brower-Rabinowitsch
Weiterhin befürchtet mehr als die Hälfte der Deutschen (55 Prozent), dass Deutschland selbst in einen Krieg verwickelt wird (plus 13 Prozent seit 2022). Einen höheren Wert gab es im Rahmen dieser Studie zuletzt im Jahr 1999 während des Kosovo-Kriegs. „Jetzt sind der Krieg und die Waffenlieferungen in den Medien allgegenwärtig und damit auch in den Köpfen. Das macht den Menschen Angst“, sagt Professorin Dr. Isabelle Borucki, Politikwissenschaftlerin an der Philipps-Universität Marburg, dazu. Sie begleitet die R+V Studie als Beraterin.
„Wir alle leben in einer Ausnahmesituation, die immer wieder aufs Neue eskaliert.“
Dr. Isabelle Borucki
Angst im Osten größer
Mit einem Anteil von 66 Prozent sind die Menschen im Osten generell in größerer Sorge vor einer Kriegsbeteiligung Deutschlands. Im Westen ist es knapp die Hälfte (53 Prozent). Einerseits spiele dabei die Nähe zur Ukraine eine Rolle, andererseits war die Aufarbeitung der Kriegsgeschehnisse im Zweiten Weltkrieg anders als im Westen. Das andere Empfinden gegenüber den Besatzungsmächten wirkt sich direkt auf die Kriegsangst aus.
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