Die Gesundheit hängt auch im Jahr 2021 eng mit dem sozialen Status zusammen. Zu dem Ergebnis kommt die aktuelle Studie der Stiftung Gesundheitswissen. Und auch die Fähigkeit, ihre Gesundheit beeinflussen zu können, schätzen Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten immer schlechter ein. Das Selbstvertrauen sinkt: Ein neuer Gesundheits-Fatalismus?
Die Ergebnisse der Studie offenbaren keine neuen Kenntnisse. Sie zeigen vielmehr die größer werdende Spaltung in der Bevölkerung auf. So spielen Einkommenssituation, Bildung, Berufstätigkeit, soziales Umfeld weiterhin eine immer wichtigere Rolle für die Gesundheit.
Während rund 75 Prozent der Menschen aus höheren sozialen Schichten (sehr) zufrieden mit ihrer Gesundheit sind, beschreiben nur rund die Hälfte der Befragten aus niedrigeren soziale Schichten ihre Gesundheit als gut beziehungsweise sehr gut. Kein Wunder: Mehr als die Hälfte leidet an mindestens einer chronischen Erkrankung. Bei den sozioökonomisch Stärkeren sind es lediglich 33 Prozent.
Prävention: Die Menschen wissen sich nicht zu helfen
Ebenso pessimistisch sind sie, an ihrem Zustand etwas ändern zu können. Während nur ein Viertel der sozial Schwächeren glaubt, ihre Situation beeinflussen zu können, schätzen Menschen aus höheren Schichten zu 50 Prozent, die Gesundheit durch ihr Verhalten beeinflussen zu können. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, glauben 35 Prozent, an ihrer gesundheitlichen Situation etwas ändern zu können. Das sind elf Prozent weniger als noch vor fünf Jahren.
Für die Forscher ist das Ergebnis ein Warnsignal. Wie Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen, in der Studie erläutert, seien “das Wissen um die eigenen Einflussmöglichkeiten und das Zutrauen in diese” ein essenzieller Schlüssel zur Prävention und damit die Steuerungsmöglichkeit der eigenen Gesundheit.
Soziale Schere: Prävention ist eine Frage der Bildung
Diese Unsicherheit offenbart sich auch in der Befragung, wie präventiv die Gesundheit gesteuert werden kann. Während rund 80 Prozent der Menschen aus höheren sozialen Schichten auf das Rauchen verzichten, genügend schlafen, sich viel bewegen und Übergewicht vermeiden wollen, messen Menschen aus niedrigeren Schichten dem weniger Bedeutung zu. Besonders die fehlende Bewegung macht sich bemerkbar: 20 Prozent weniger glauben, dass Sport Krankheiten vorbeugen kann.
Eine weitere Erkenntnis der Forscher zeigt den unterschiedlichen Zugang zu Informationen auf. Zwar zeigen Menschen aller sozialen Schichten Interesse (rund 60 Prozent) an solchen Themen. Dennoch bleibt es denjenigen aus höheren Kreisen vorbehalten, hilfreiche Informationen zu erhalten. Jeder Vierte mit niedrigerem sozialem Status gab an, damit Probleme zu haben. Zum Vergleich: Nur jeder 16. Befragte aus der anderen Gruppe hatte dies bejaht. Aus diesem Grund gaben die Forscher um Prof. Dr. Doris Schaeffer, Leiterin des Interdisziplinären Zentrums für Gesundheitskompetenzforschung, an, die “Gesundheitskompetenz insgesamt verbessern” zu wollen und den “vulnerablen Gruppen (zu) ermöglichen, souverän mit gesundheitsbezogener Information umgehen zu können”. Das sei ihrer Ansicht die Voraussetzung, um selbstständig präventiv handeln zu können. Offen jedoch bleibt, wie dies umgesetzt werden solle.
Fehlerquelle Mensch: Viele gefährden bewusst ihre Gesundheit
Obwohl einem großen Teil der Bevölkerung bewusst ist, wie sie ihre Gesundheit erhalten kann, setzen nur wenige diese Maßnahmen um. So rauchen noch immer 30 Prozent – einschließlich derer, denen die gesundheitlichen Folgen bewusst sind. Die Schlussfolgerung von Dr. Suhr lautet demnach:
“Unsere Studie zeigt, dass Wissen um Präventionsmöglichkeiten nicht immer zu deren Umsetzung führt.”
Mit Aufklärung an Schulen etwa wollen Forscher der Entwicklung entgegentreten.
Auffällig ist, dass Frauen der Prävention deutlich mehr Bedeutung beimessen als Männer – und zwar egal, in welchem Bereich. Und auch das Alter ist entscheidend: Je älter die Menschen werden, desto mehr Interesse entwickeln sie an ihrer Gesundheit und an deren Erhalt. Fast 80 Prozent gaben dies in der Studie an. Jüngere hingegen nur zu 44 Prozent.